Aus: Kolvensbachs Pieter ... und sein leidvoller Ehealltag

Die Wallfahrt

… Seine “Holde” öffnete die Türe, und als sie die große Menge vor der Haustüre sah, hatte sie keine Zweifel mehr, dass es sich hier um eine richtige Wallfahrt handele. Unser Rudi hatte auch hier vorgesorgt. Er hatte die “Wallfahrt” offiziell im Schaukasten der Kirche ausgehängt, mit allen Daten und Aktionen. Pitter war bereit. Er musste nur noch seine Schürze ausziehen und seinen Rucksack schnappen, dann konnte es losgehen. Pitter schnappte sich sofort das Kreuz, dankte dem Herr für die Gnade, solche Freunde zu haben - dann zogen wir ab, mit einem geistlichen Lied auf den Lippen.

Etwas verdutzt schaute Amalie ihm nach, dann sie die Türe. Unser Pitter war fast wieder der Alte!

Auf der Fahrt nach Bayern hatten wir viel Saß. Von einer Wallfahrt konnte jetzt zwar keine Rede mehr sein, jedoch hatten wir beschlossen, zumindest einmal eine kleine Kapelle aufzusuchen. So konnte unser Pitter dann zuhause etwas von einer “Wallfahrt” erzählen.

Ohne die daheim gebliebenen Frauen hatten wir eine sehr schöne Zeit in Bayern, Männer alleine! Einfach herrlich! Morgens lange ausschlafen, dann ein üppiges Frühstück, ein kleiner Spaziergang zu einer Bierwirtschaft, bei einer großen Maß Bier schön in der Sonne sitzen und dem lieben Gott danken für die tolle Idee, die wir hatten. Sicherlich hatte der liebe Gott ein Einsehen gehabt mit unserem Pitter, der regelrecht auflebte und wie neu geboren war. Aber leider hatten wir nur eine Woche Zeit, und der Abschied von dem schönen Leben nahte viel zu schnell. Pitter wurde sehr traurig, denn er wusste, was ihn zuhause erwartete. Er mochte gar nicht darüber sprechen. Wir fühlten mit ihm.

 

Aber was sollten wir tun? Am letzten Tag vor der Heimfahrt machten wir eine Bergwanderung zu einer kleinen Kapelle. Pitter trug das Kreuz und ging stolz vorne weg. Wir machten ein paar herrliche Fotos - als Beweis.
Auf dieser Strecke lernten wir auch einen Arzt kennen. Wir kamen ins Gespräch und erzählten ihm von den Leiden des Pitter, für die er großes Verständnis zeigte.
Plötzlich hatten wir die Idee, den Pitter für ein paar Tage krankzuschreiben zu lassen, sodass er noch etwas länger hier bleiben konnte!
“Kein Problem”, sagte uns der Arzt, “das werden wir machen!” Gesagt - getan!
Pitter bekam eine ansteckende Krankheit und wir wurden vorsichtshalber mit in Quarantäne geschickt. So konnten wir noch ein paar Tage Sonderurlaub anhängen.

Zuhause kochte Pieters “Holde” vor Wut. Aber zu unserem Glück konnte sie nicht herkommen. Hätte sie uns gesehen, dann hätten unsere Schutzengel eine Menge Arbeit gehabt, um uns vor ihr zu retten, doch so nutzten wir die zusätzlichen Tage und freuten uns wie die Kinder über unseren tollen Einfall.

Langsam näherte sich der letzte Tag und wir mussten unsere Heimreise antreten.

Unser Diakon hatte eine Idee. Er sprach mit dem örtlichen Pfarrer, schilderte unsere Situation und konnte ihn für seinen Einfall gewinnen.
Zum Glück war Sonntag und die Kirche war gut gefüllt. Auch wir besuchten diesen Gottesdienst. Zum Schluss bat der Pfarrer seine Schäfchen, mit uns gemeinsam aus der Kirche auszuziehen, damit der Reporter des örtlichen Tagesblattes die kleine Prozession fotografieren und einen Artikel darüber schreiben konnte. So wurde der Pitter vorneweg mit dem Kreuz und ernster Mimik aufs Foto gebannt. Nachdem wir den Pfarrer und seine Gemeinde zu einem Frühschoppen eingeladen hatten, um uns noch einmal so richtig zu stärken, konnten wir das Bild und den Artikel von dem Reporter bekommen. Nach diesem Erlebnis fiel es uns schwer, uns von diesen lieben Freunden zu verabschieden. Wir vereinbarten, dass wir jetzt jedes Jahr eine Walfahrt hierher machen wollten. Mit diesen Gedanken marschierten wir in Begleitung des gesamten Ortes zum Bahnhof. Schnell wurden noch einige Bilder geschossen, damit wir auch zu Hause erzählen konnten, wie unsere Wallfahrt hier angenommen worden war.

Dann fuhren wir heim!

Den Pitter begleiteten wir noch nach Hause. Pitter mit dem Kreuz in der Hand, unser Diakon im Ornat - so erschienen wir bei Pieters “Holden”.
Auf den letzen Meter wurde es dem Pitter so richtig wehmütig ums Herz. Welch schöne Tage hatte er erlebt. Endlich frei von Amalies Fesseln, von Arbeit, von Demütigungen. Wieder tun und lassen können, was er wollte, ohne dass er ständig bevormundet wurde oder Befehlen gehorchen musste. Ein Bierchen trinken, ohne dass einer schaute, ob dies schon das zweite war. Einfach herrlich!
Und was kam jetzt? Pitter wurde langsam bleich im Gesicht, die Knie zitterten, sein Herz schlug lauter und lauter. Jeder konnte es hören. Uns tat der Pitter leid. Sehr leid. Dann standen wir vor der Haustüre. Zaghaft klingelte er.
Hinter dem Eingang… 


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